Reizstromgeräte
Das Thema Reizstromgeräte, auch Teleimpulsgeräte genannt, erhitzt seit Jahren die Gemüter. Seitens des Tierschutzgesetzes ist der Einsatz der Geräte nur noch durch "sachkundige" Personen eingeschränkt gestattet. Doch wie ein Artikel in "Partner Hund 2/2001" über die Methode "Contact your dog" zeigt, wird der Einsatz der Reizstromgeräte oft verharmlost.
Das am häufigsten angeführte Argument für den Einsatz von Teleimpulsgeräten ist, dass dem Hund damit mehr Bewegungsfreiheit ohne Leine eingräumt werden kann. Besonders Hunden, die jagdlich interessiert sind. Doch gerade bei dem hochmotiviertem Jagdverhalten des Hundes sind massive aversive Einwirkungen durch diese Geräte notendig, um den Hund davon abzuhalten. Ein "leichtes kribblen" reicht da nicht mehr. Bei rechtzeitiger Einflussnahme durch ein systematisches Training kann der Hund auch ohne den Einsatz von Strom vom Jagen abgehalten werden.
Ein recht bekannter Anhänger der Ausbildung über Strom versichert: "... die Stromzufuhr ermögliche eine Hundeerziehung ohne Stockschläge, Tritte und Stachelhalsbänder. (...) Die Erziehung von Hunden könne naturgemäß nicht frei von Schmerzen und Zwängen sein ..." - ohne Worte.
Wir möchten Sie auf dieser Seite über den Hintergrund und die Wirkungsweise der Reizstromgeräte informieren; nachfolgend eine Stellungnahme von Sabine Winkler, bekannt durch ihre Bücher "So lernt mein Hund" und "Hundeerziehung", erschienen im Kosmos-Verlag:
Contact your Dog
Ist diese Methode wirklich der große Durchbruch?
Immer wieder wird nach dem Erscheinen des Artikels "Schluss mit Leckerchen und Trallala!" in "Partner Hund 2/2001" von Hundebesitzern die Frage an uns herangetragen, ob man die in dem Artikel geschilderte Methode, die unter dem Namen "Contact your Dog" vermarktet wird, nicht auch für das eigene Training verwenden könnte, z.B. "wenn der Hund das eine oder andere gar nicht lernen will". Grund genug für eine Stellungnahme.
Grundsätzlich können wir Menschen unsere Hunde auf zwei Wegen beeinflussen:
- durch positive Verstärkung: der Hund arbeitet, um etwas Angenehmes zu bekommen oder tun zu dürfen. Er wird z.B. mit Spiel, Leckerli oder anderen Dingen belohnt, wenn er das von uns Gewünschte tut.
- durch negative Verstärkung: der Hund arbeitet, um etwas Unangenehmem zu entgehen oder es "abzustellen". Man setzt also einen unangenehmen Reiz (= Sinneswahrnehmung), z.B. Druck auf den Körper, Zug oder Ruck an der Leine, Elektroschock o.ä. und wenn der Hund das von uns Gewünschte tut, beendet man die unangenehme Einwirkung. Das Gefühl der Erleichterung, das der Hund dann verspürt, ist natürlich auch eine wirksame "Belohnung".
"Contact your Dog" und andere ähnliche Systeme beruhen auf negativer Verstärkung durch sogenannte Reizstromgeräte (volkstümlich Teletakt genannt). Neue Geräte dieser Art von der Firma Innotec erlauben durch sehr viele einstellbare Stufen eine dosiertere Stromeinwirkung als herkömmliche Geräte. Auf den niedrigen Stufen handelt es sich um eine Art "kribbeln", das zwar unangenehm, aber unterhalb der Schmerzgrenze angesiedelt sein soll. Im Prinzip wird der Hund also "unter Niedrigstrom gesetzt". Dieser wird abgestellt, sobald der Hund das vom Menschen Gewünschte tut. Zusätzlich werden "Hilfen" wie Zug oder Druck mit Leine und/oder Händen eingesetzt, um das gewünschte Verhalten "anzubahnen". Die Methode ist sicherlich recht ausgefeilt und wesentlich tierschutzgerechter als die "alte" Teletaktanwendung. Sie ist aber dafür auch recht kompliziert in der Anwendung und - wie gesagt - zweifellos eine Methode der negativen Verstärkung.
Negative Verstärkung funktioniert, was man schon daran sieht, daß auch Folterknechte in aller Welt sich dieser Methode bedienen, wenn sie Geständnisse erpressen wollen. (Fairerweise muß man allerdings hinzufügen, daß sie höhere Stromstärken verwenden als "Contact your Dog".) In der Hundeausbildung hat sie aber einige Tücken.
- Erstens ist es im Gegensatz zu positiver Verstärkung eine sehr wenig fehlertolerante Methode. Ein im falschen Moment gegebenes Leckerchen schadet nicht viel, eine im falschen Moment gegebene oder nicht im richtigen Moment wieder aufgehobene unangenehme Einwirkung schon.
- Zweitens steht der Hund durch die unangenehmen Reize, die man ihm zufügt, unter mehr oder minder großem Streß. Ist er zu stark gestreßt, kann er nicht lernen.
- Drittens besteht die große Gefahr, daß er die Unannehmlichkeiten mit anderen Dingen verknüpft als man will, z.B. mit der Person des Trainers oder dem Hundeplatz oder dem Bringholz usw. Er würde dann beginnen, Meideverhalten oder sogar aktive Gegenwehr gegenüber all dem zu zeigen. Viele Hunde bekommen mit der Zeit auch eine negative Einstellung zum Üben mit ihrem Menschen. Sie werden dann lustlos und widerwillig und neigen zu "Drückebergerei".
- Viertens führt der Einsatz von unangenehmen Reizen noch lange nicht dazu, daß der Hund automatisch das tut, was man möchte. In Lernexperimenten an Ratten und anderen Tieren hat man vielfach festgestellt, daß Tiere durch negative Verstärkung zwar leicht Flucht- und Angriffsreaktionen lernen, aber meist nur sehr schwer lernen, etwas aktiv zu tun. Negative Verstärkung kann daher passend sein für z.B. Kommen (als Flucht zum Hundeführer, wenn alles klappt wie gewünscht) oder Platz neben dem Hundeführer (als "Flucht" in eine Unterwerfungsgeste, wenn alles klappt wie gewünscht). Für andere Aufgaben eignet sich negative Verstärkung nicht besonders gut, weil das, was der Hund tun soll, seiner natürlichen Reaktion auf unangenehme Reize widerspricht.
Negative Verstärkung hat noch eine Besonderheit, die man einkalkulieren muß: sie wirkt tatsächlich im Einzelfall schneller und durchschlagender als positive Verstärkung und braucht seltener "aufgefrischt" zu werden als diese. Hunde führten in Experimenten z.B. Verhaltensweisen, die über Elektroschocks gelernt wurden, noch bis zu 200 mal korrekt aus, nachdem eigentlich gar kein Schock mehr gekommen wäre, wenn der Hund nicht "gehorcht" hätte. Dagegen kommt man bei positiver Verstärkung kaum über eine Rate von 40 Verhaltensweisen pro Futterbelohnung heraus. Negative Verstärkung ist also wirklich etwas für Leute, die "es satt haben, den Hund mit Leckerchen zu füttern". Allerdings kommt man mit einem Leckerchen für 40 Kommandos auch gut durch eine Prüfung. Aber all das trifft nur zu,
- falls man alles ganz richtig macht,
- falls keine unerwünschten Nebenwirkungen eintreten,
- falls man eine Reaktion anstrebt, die zumindest in weiteren Sinne aus dem Flucht- oder Angriffsbereich stammt,
- und falls man sehr stark unangenehme Reize verwendet.
Benutzt man nur schwach unangenehme Reize, lernt der Hund nämlich weder schneller noch "nachhaltiger" als bei positiver Verstärkung. Wenn also der Hund mit der neuen "Contact"-Methode wie versprochen wirklich in kurzer Zeit absolut gehorsam wird und diesen Gehorsam auch lang anhaltend zeigt, läßt das nur den Schluß zu, daß entweder das "Kribbeln" dem Hund doch sehr unangenehm ist (obwohl es angeblich nicht weh tut) oder daß eben im entscheidenden Moment (wenn der Hund im weiteren Verlauf der Ausbildung "den Gehorsam verweigert") doch mit Strom im Schmerzbereich gearbeitet wird. Und genau das ist auch der Fall. Oder meint Ihr, ein leichtes "kribbeln" würde auch dann noch ausreichen, um den Hund zu stoppen, wenn er hinter einem Hasen hergeht? Zugegeben: hat man bis dahin alles richtig gemacht und die Übungen sorgfältig aufgebaut, sollte ein wirklicher Schmerzreiz nur selten nötig sein. Ich denke aber, das angeblich so harmlose "Kribbeln" hat spätestens danach seine "Unschuld" verloren und ist zur offenen Drohung geworden.
Und was den vielzitierten Alphawolf und den Respekt vor ihm sowie das Argument betrifft, all das sei ja nur natürlich, weil die Welt nun mal kein Paradies ist: nach dem heutigen Stand des Wissens hat "Gehorsam" auf "Kommandos" mit Dominanz nichts zu tun. Wer das nicht glauben will, frage sich einmal, was für "Befehle" der Alphawolf seinen Untergebenen im Rudel denn gibt. Es sind nur Sachen wie "Laß das sein! Laß mich in Ruhe! Geh da nicht dran! Geh mir aus dem Weg!" usw. Also nur etwas, das unserem "Nein" entspricht. "Sitz", "Platz" "Brings" oder "Fuß" kommen im natürlichen Hundeleben nicht vor, umso weniger Distanzkontrolle, "Hinterteilarbeit", Scent Discrimination oder Rückwärtsgehen. Und den "Mithund" unter Niedrigstrom zu setzen ist unter Hunden wohl auch nicht üblich.
Das sind die nüchternen Tatsachen. Nun, liebe Hundesportler, muß jeder mit seinem Hund und seinem Gewissen ausmachen, was er anwenden will und was nicht.
Ein plötzlicher Wechsel von positiver zu negativer Verstärkung ist jedenfalls normalerweise nicht das Mittel der Wahl, Ausbildungsprobleme anzugehen, sondern eher als Kunstfehler zu betrachten. Aber - da fällt mir was ein. Vielleicht ist es ja auch gar nicht der Hund, der "etwas einfach nicht lernen will", sondern der Hundeführer, der seinem Hund diese bestimmte Übung "einfach nicht beibringen will". Sonst müßte es doch schon längst damit klappen! Offenbar ist der Hundeführer dickköpfig, stur und dominant! Da würde ich doch sagen: Schluß mit dem Trallala! Setzen wir doch den Hundeführer mal unter Strom! Vielleicht klappt's dann endlich. Tut ja schließlich gar nicht weh...